HELMUT OEHRING
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2023 EURYDIKE? vol. 2
TanzMusikVideoInstallation
für drei Tänzerinnen + einen Violinsolisten + drei Akkordeon-Solist*innen + 2KanalVideo + 10.2KanalAudio
unter Mitwirkung von männlichen Strafgefangenen der Justizvollzugsanstalten Dresden und Bautzen
sowie des Chores der Justizvollzugsanstalt Dresden
Idee + Komposition + SignMimoChoreografie + Regie + Kamera : Helmut Oehring
Audio+VideoProduktion + Klangregie + Filmschnitt: Torsten Ottersberg / GOGH s.m.p.
Textbuch + Dramaturgie + Fotografie: Stefanie Wördemann
Tänzerinnen / Vokalistinnen: Katja Erfurth + Mia Carla Oehring + Kassandra Wedel
Violinsolist / Vokalist: Florian Mayer
Akkordeon-Solist*innen / Vokalist*innen: Felix Kroll + Silke Lange + Susanne Stock
Performer + Vokalist: Joscha Oehring
Sänger + Chor: männliche Strafgefangene / Chor der JVA Dresden
Dauer: 54'
Kompositionsauftrag des Europäischen Zentrums der Künste HELLERAU,
finanziert durch die Ernst von Siemens Musikstiftung, gefördert durch Mittel der Kulturstiftung des Bundes
Uraufführung 2023 Europäisches Zentrum der Künste HELLERAU Dresden
EURYDIKE? vol. 2 basiert auf der DNA von audiovisueller Partitur und SignMimoChoreografie: Interaktion zwischen instrumental-vokal-tänzerischer Interpretation , experimenteller Kameraführung und Schnittkomposition generiert erschwiegene Bilder und gebeizte Klänge. GratWanderung zwischen NochSagMöglichem und UnAusSprechlichem. Aus der mehrdimensionalen Grammatik des Raumes entsteht ein durch die Zeit hindurchgreifendes, poetischdokumentarisches Theater nach dem Klang des Schweigens. TotenGedächtnis. Requiem. AntwortLast der Überlebenden. EURYDIKE? vol. 2 spiegelt auf zwölf über dem Installationsraum hängenden Lautsprechern und zwei Projektionsflächen, zwischen denen sich das Publikum bewegt, Existenzen zwischen Opfer- und Täterschaft, Rache und Reue, Versuchen und Scheitern, Utopie und Kapitulation, gesellschaftlicher wie medialer Isolation. GeheimnisGestalt des nahfernen Anderen. UnterWeltWund. Entropie.
2022 zwischenORT
AudioVideoInstallation für Violine + Tanzchoreografie
Über das nicht mehr existente Albert-Theater
Komposition + Kamera + Regie: Helmut Oehring
Audio/VideoProduktion: Torsten Ottersberg / GOGH s.m.p.
Künstlerische Gesamtleitung + Choreografie + Tanz : Katja Erfurth
Dauer: 12'
UA März 2022 Societaetstheater Dresden
Katja Erfurth + Florian Mayer
2021 BEETHOVEN? Der erlösende Fehler
MusikFilmTanzDrama
Idee + Komposition + Choreografie + Regie + Kamera + Schnitt: Helmut Oehring
Textbuch + Filmscript + Dramaturgie + Redaktion: Stefanie Wördemann
Audio+VideoProduktion + Kamera + Schnitt: Torsten Ottersberg / GOGH s.m.p.
Mit: Kassandra Wedel + Ensemble Musikfabrik
Dauer: 45'
Auftragswerk der Beethoven-Jubiläumsgesellschaft Bonn
Ursendung 2022 bthvn2020 / WDR3
„Sprecht lauter, schrejt, denn ich bin taub!“ Ludwig van Beethovens Hilfeschreie bleiben stummlaute Buchstaben im Heilgenstädter Testament wie in anderen Briefen an vertraute Gefährt*innen. Als 32Jähriger blickt er schreibend dem Tod ins Auge und kämpft sich dann komponierend ein weiteres Vierteljahrhundert zur Unsterblichkeit. Beethovens sukzessive Ertaubung im Zusammenhang mit seinem Selbstverständnis als Komponist und MitMensch steht im Zentrum des MusikFilmTanzDramas BEETHOVEN? Der erlösende Fehler. In eigener Verfilmung seiner audiovisuellen Partitur aus Neukomposition und Hörspiel, Briefzitaten und Gebärden-Poesie, interagierender Choreografie von Tanz und Film verschlüsselt Helmut Oehring die Inschriften Beethovens und gibt diesem sein innerstes Geheimnis zurück: eines zum inneren Hören verdammten Genies, das sich selbst gewaltsam zu kreativer Äußerung zwingt und mit seiner Musik eine Brücke schlägt zur hörenden Welt, deren gesellschaftliche und künstlerische Zukunft ihm am verwundeten Herzen liegt. Beethoven, ein Brückenmensch – dazwischen. Ebenfalls Brückenmensch, verkörpert die als Vierjährige durch einen Unfall ertaubte Tänzerin Kassandra Wedel in BEETHOVEN? Der erlösende Fehler dessen “unsterbliche Geliebte” sowie innere Stimme und körperliches Medium seiner Sprache und Musik im Prozess der Ertaubung, seines kreativen Schaffens in wachsender Isolation und Einsamkeit, Verzweiflung und Sehnsucht: "Wo bin ich nicht verwundet, zerschnitten?" (L.v.B.)
Als Brückenmenschen versteht sich auch Helmut Oehring: Kind gehörloser Eltern, bezeichnet er die deutsche Gebärdensprache als seine Muttersprache, deren räumliche Syntax und Grammatik eine der Grundlagen seiner audiovisuellen Partituren, Choreografien, Hörstücke und Filme ist: „Durch meine Sozialisation in der Sprache und Kultur von gehörlosen Menschen bin ich aufgewachsen mit vor der Geburt oder nach dem Spracherwerb Ertaubter, aber auch mit Menschen, die aufgrund eines Schicksalsschlags plötzlich oder sukzessiv das Gehör verloren. Ich bin vertraut mit den kommunikativen, psychischen wie sozialen Strategien des Umgangs Gehörloser in einer hörenden Welt. Was das Ertauben Beethovens für ihn als Menschen und Komponisten bedeutete und zur Folge hatte, unabhängig von dem Erlernen oder Ersterben verschiedenster Kommunikationsmechanismen und -taktiken, können wir Hörenden uns nicht vorstellen. Das ist eine Dimension von Stille, die wir Hörenden gar nicht ermessen können. Und aus dieser Stille schiebt Beethoven schiebt eine Art Foto seiner inneren Partitur unter den Türspalt durch aus seinem unerhörten Klangkosmos in unsere Welt voll von Lautheit und Geräuschen.“
2013/2017/2021 SEVEN SONGS for Sunrise
Live-Stummfilmmusik auf F. W. Murnaus Stummfilm Sunrise. Song for Two Humans von 1927
Audiokonzeption + -produktion: Torsten Ottersberg/GOGH
Dauer: 95’
Version für einen Vokalisten + Oktett + Audiozuspiele
UA 2013 Le Capitole Lausanne / IRCAM Centre Pompidou Paris / Archipel Festival Genève
David Moss + Le Quatuor Sine Nomine
musikalische Leitung: Jürg Henneberger
Version für Stimme/Gebärden/Gitarre + Flöten + Violoncello + Akkordeon + Gitarre + Klavier/Keyboard + Schlagzeug
UA 2021 Rofinpark Eberswalde
Ensemble Quillo + Helmut Oehring (Stimme/Gebärden/Gitarre)
Murnaus bahnbrechender und vor allem formal und medial spektakulär angelegter Film ist in sich spiegelsymmetrisch aufgebaut – in seiner Makro- und Mikrostruktur, in Bewegungsmustern, Wiederholungen, Variationen wie inhaltlichen Szenenverläufen. Diese Spiegelsymmetrie war unter anderem formgebend für die Komposition SEVEN SONGS for Sunrise mit ihrer Spiegelung beiderseits der Spieglachse, der Filmmitte in SONG 4 Heyday/Felicity. Hier erscheint eine Traumsequenz, utopische Urzelle des gesamten Filmes, visuelle Konzentration der Sehnsucht zweier Liebender, die sie in ihrer Einsamkeit und Verzweiflung eint. Sie beZeugen einander. Diese Traumsequenz ist ein Schrei. Ein solcher Schrei muss sein. Immer wieder. Er bewegt und zerreißt den Vorhang, der uns von der Wahrheit trennt – von der »Unwirklichkeit der Realität und der Verheißung, dass der
Felsen der Welt auf dem Flügel einer Elfe gegründet ist« (Scott Fitzgerald). Musik ist ein solcher Schrei. Die Sonette Shakespeares sind ein solcher Schrei. Die Madrigale und Responsorien Gesualdos. Oder I Will von Thom Yorke: Klang entstehender Stille und Stummheit. Erstummung. Erschwiegenes Bild. Meridian. Sonnenfinsternis. Im Song der Filmmitte beschreibt der Sänger den verzweifelten Willen eines Vater, sein Kind in dieser Welt, im Heute und Morgen mit all seinen alltäglichen Unzulänglichkeiten und unerträglichen Entwertungen, angesichts kleiner und großer Katastrophen zu beschützen. Am Ende des Films, im Epilog Sunrise, sehen wir die Liebenden als Eltern vereint mit ihrem Kind den Sonnenaufgang erlebend, hoffnungsvoll einer gemeinsamen Zukunft entgegenblickend. Möglichkeit.
Das Gesagte ist immer auch Gegenteil des Ungesagten. Negativ dessen, was unberührbar bleibt, unsagbar. So verhält es sich auch mit dem Sichtbaren und Unsichtbaren. Hörbaren und Unhörbaren. Die wesentliche Arbeit eines Komponisten, Klang zu einem Stummfilm zu finden, ist das Aufspüren des Unsichtbaren. Des Nichtdarstellbaren. Die innere Bewegung an den Wänden zu inszenieren. Das ist UrKino. Dieses zu komponieren ist vergleichbar mit dem Fotografieren der Ablagerungen an unseren Seeleninnenwänden. Mystische und mythologische SchattenKlangspiele.
Im Stummfilm regiert das Auge vor dem Ohr. Der Komponist imaginiert, was der Regisseur auf der visuellen Sprachebene kommuniziert. In Murnaus Stummfilm sind es weitgehend innere Vorgänge, Konflikte, Tragödien. Der Stoff ist nahe an antiken Dramen und an den Tragödien und Tragikomödien Shakespeares – zeitlos und gültig, solange es Menschen gibt. Murnau verdeutlicht diese innere Tragödie durch die Verschachtelung von realistischen Filmszenen mit Erinnerungs- und Traumsequenzen. Musik ist fortgesetzte Berichterstattung über die Realität mit Mitteln des Traums – Vermessung des Innenraumes, Aufhebung von Zeit inmitten des Fremdseins. Meine Musik auf Murnaus Stummfilm folgt, diesen verinnerlichend, ihren eigenen Mitteln, Strategien, parallel existierenden Gesetzen, eigen(artigen) Träumen. SEVEN SONGS for Sunrise träumen Murnaus Stummfilm. Beim Hören dieser Filmsprache haben wir das Gefühl, auf indirekte Art etwas Bedeutsames zu berühren. Ich sehe den Herzschlag des Filmes. Ich spüre die melodramatische Aura, die sich aus dem Inneren einer Oper zu bewegen scheint. Als Komponist taste ich dem Sinn der inneren Filmlandschaft nach und erlausche Orientierungspunkte. In diesem Raum zwischen Film und Musik entsteht auch: HÖRspiel, SEHmusik. Helmut Oehring im Oktober 2013
2019 EURYDIKE? (ICH/SIE – I see . volume 1)
AudioVideoInstallation + Performance
für eine gehörlose Tänzerin/Stimme + eine Geigerin/Tänzerin/Stimme + eine Gitarristin/Tänzerin/Stimme
Komposition + Regie + Kamera: Helmut Oehring
Dramaturgie + Co-Regie + Fotografie: Stefanie Wördemann
Audioproduktion + Kamera + Schnitt + Klangregie: Torsten Ottersberg / GOGH s.m.p.
Dauer: 27'
UA März 2019 Nancy Spero Saal / Festspielhaus HELLERAU
Mai 2019 SPOR Festival for Contemporary Music and Soundart / Kunsthalle Århus
September 2019 KONTRAKLANG X KONTAKTE Biennale für Elektroakustische Musik der Akademie der Künste Berlin
Kassandra Wedel + Emily Yabe + Mia Carla Oehring
EURYDIKE? (ICH/SIE – I SEE . volume 1) setzt den Zyklus dokumentarpoetischer Antwortwerke auf Monteverdis L’Orfeo mit Fokus auf zeitgenössische Perspektiven fort: die zwei Musiktheatern auf Joseph Conrads Heart of Darkness – Orfeo14 vol. 1 im Kontext weltweiter Fluchtbewegungen mit Le Concert d’Astrée / Emmanuelle Haïm + Ictus Ensemble an der Opéra Lille sowie FinsterHERZ oder Orfeo17 mit der Kammerakademie Potsdam und gehörlosen Geflüchteten: Suche nach Sprache in Musik und Gebärde, Performance und Tanz, Sound und Video. Die gehörlose Tänzerin Kassandra Wedel, die Geigerin Emily Yabe und die Performerin+Gitarristin Mia Carla Oehring portraitieren EURYDIKE? in Momentaufnahmen einer AudioVideoInstallation mit Performance, die 2023 ihre Fortsetzung findet in der TanzMusikVideoInstallation EURYDIKE? vol. 2 in Zusammenarbeit mit männlichen Häftlingen der JVA Dresden.
EURYDIKE? FinsterHerz. WeißGesicht. WildGesicht.
Momentaufnahmen im schwärzesten Augenblick:
Orfeos Verrat. Seelenabgrund. Zwischenwelt.
Isolationsraum. DarkRoom.
Nicht mehr Opfer, noch nicht Täterin.
ICH/SIE selbst, nicht Orfeo.
2001 Berlin. Sinfonie einer Großstadt
Orchestermusik zu dem FilmRemake von Thomas Schadt
auf Walter Ruttmans gleichnamigen Stummfilm von 1929
Co-Komposition: Iris ter Schiphorst
Audiokonzeption + -produktion: Torsten Ottersberg/GOGH s.m.p.
Dauer: 75’
Verlag Boosey&Hawkes
UA Staatsoper Unter den Linden Berlin
Staatskapelle Berlin